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Mit Kindern lernen - wenn Hausaufgaben zur täglichen Herausforderung werden

  • Autorenbild: Andrea Mollet
    Andrea Mollet
  • 7. Dez.
  • 4 Min. Lesezeit

Ich sass wieder einmal mit unserem älteren Sohn am Küchentisch, er war da noch kleiner, in der Unterstufe. Der Nachmittag war eigentlich schon lange vorbei, draussen wurde es dunkler, und auf dem Tisch lag noch immer der Wochenplan, der uns seit Tagen begleitet. Ein paar Aufgaben waren durchgestrichen, viele noch offen. Ich sah ihn an, wie er suchte, blätterte, zurückblätterte, sich verlor zwischen all den kleinen Schritten, die doch so klar strukturiert wirken sollten – und es nicht waren. Nicht für ihn.


Er wollte ja, das spürte ich, er hatte immer schon hohe Ansprüche an sich selbst, aber bevor er überhaupt in die Umsetzung kam, waren wir oft schon eine Weile unterwegs und die Bereitschaft für Hausaufgaben eigentlich schon am Ende: Fragen, Unsicherheiten, kleine Anläufe, das Ringen um Fokus, um einen Anfang oder um doch noch etwas um das ganze zu vermeiden - "use-stüdele". Und ich daneben, erkläre wieder und wieder, während die Zeit verrinnt und er mich anblickt, als ob er selbst nicht versteht, warum dies so schwer fallen kann.


Manchmal denke ich dann an Eltern, deren Kinder selbstständig arbeiten, die sich nach der Schule an den Tisch setzen, den Plan aufschlagen, beginnen und nach zwanzig Minuten fertig sind. Und ich gönne es ihnen von Herzen, aber es ist ein anderes Leben! Ein ganz anderes Erleben. Und oft können sie sich gar nicht vorstellen, wie viel Kraft und Geduld und innere Präsenz es braucht, ein Kind zu begleiten, das nicht einfach „funktioniert“.


Es ist wie eine next Level Form von Elternschaft, die kaum jemand sieht. Sie findet drinnen statt, während andere schon längst mit Sport, Freunden oder Abendessen beschäftigt sind.

Wir sitzen noch da. Wir erklären. Wir atmen. Wir halten aus, oft, sehr oft, aber manchmal auch nicht. Und manchmal fragen wir uns leise, ob wir irgendetwas falsch machen.


Doch das tun wir nicht! Wir arbeiten einfach mit einem Kind, dessen Energie anders fliesst, als es Schule und Struktur vorgeben.


Wenn ich dann heute in meine Human Design Unterlagen schaue, die erklären, wie unterschiedlich Kinder lernen können, wird mir jedes Mal bewusst, wie wenig wir eigentlich darüber wissen. Und wie viel leichter unser Alltag wäre, wenn wir es täten.


Da gibt es Kinder, deren Gehirn morgens sofort wach ist und anderen, die erst nach langem Auftauen überhaupt richtig ankommen. Es gibt Kinder, die Informationen geordnet und Schritt für Schritt abrufen und solche, deren Denken in Sprüngen geht und sich erst im grösseren Zusammenhang sortiert. Manche brauchen Ruhe und Routine, andere Bewegung, Geräusche, Musik. Manche speichern Erklärungen nur, wenn sie vorher Sicherheit spüren, Wissen aufnehmen geschieht im emotionalen Kontext. Andere erst, wenn ihr Körper mitreden darf – mit Berührung, Aktion, sensorischer Empfindung. Ja, mann kann im Fall NMG lernen während Güetzliteig formen, Pizza belegen oder im "Glungge gumpe"! (Durch Pfützen zu springen heisst das :-)



Mit Kindern Lernen


Und dann sehe ich unseren Sohn wieder vor mir: wie er in einem Moment bereit war, loszulegen, und im nächsten schon überfordert. Wie sein Blick verriet, dass ihm die Aufgabe viel zu gross erschien, obwohl sie nicht soo gross war – nur falsch für seine Art, Information zu verarbeiten. Wie er unter Druck nicht schneller arbeitet, sondern innerlich stehen bleibt, als hätte jemand die Pausetaste gedrückt. In seinem Human Design finde ich heute die Bestätigung: Kinder mit sensiblen Stresssystemen reagieren genauso. Sie brauchen nicht mehr Disziplin, sondern eine andere Art von Zugang.


Wenn ich das lese, fällt ein Stück Schwere ab. Weil es erklärt, was im Alltag so oft nach Widerstand aussieht. Und weil es mir zeigt, dass unser gemeinsamer Kampf kleiner hätte sein können, wenn ich gewusst hätte, wie sein Energiesystem wirklich funktioniert.


Es ist nicht die fehlende Motivation, nicht die mangelnde Konzentration, nicht die vermeintliche Faulheit. Es ist die Art, wie sein Kopf Inhalte sortiert. Wie sein Körper Umgebung wahrnimmt. Wie sein Nervensystem reagiert. Wie sein Blick sucht und die Welt einordnet.


Und dann erkenne ich auch mich selbst wieder: wie viel Kraft ich jeden Tag aufbringe, um ihn zu begleiten, ohne zu überrollen. Wie viel Geduld ich sammle, auch wenn ich längst erschöpft bin. Wie oft ich bewusst atme, bevor ich spreche, weil ich weiss, dass meine Energie den Ton setzt.


Ich glaube, genau das übersehen wir häufig: Eltern, die ihre Kinder in schulischen Herausforderungen begleiten, leisten jeden Tag so viel mehr, als sie nach aussen zeigen. Sie tragen ein System, das nicht für ihr Kind gemacht ist, und gleichen es mit ihrer Liebe und Geduld aus. Sie halten Räume, die nie jemand für sie bereitgestellt hat. Sie erklären die Welt neu – manchmal jeden Nachmittag.


Und dann, in einem dieser stillen Momente, die dann nach lauten Momenten kommen, wenn er mich anschaut und fragt: «Kannst du mir noch einmal erklären, wie ich beginnen soll in dem Sch...?», spüre ich, dass das, was wir gemeinsam tun, nicht einfach Lernen ist, sondern Beziehung. Orientierung. Sicherheit. Es ist mehr als die Orientierung im Tausenderraum - es ist Orientierung im Leben.


Wenn wir also über Lernen sprechen, sollten wir genauer hinschauen. Es geht nicht nur um Hausaufgaben, Pläne und Ziele. Es geht darum, wie Kinder die Welt verarbeiten. Wie ihre Energie fliesst. Wie wir sie dabei stärken können, anstatt gegen ihre Natur zu arbeiten. Genau dort setzt Human Design an: nicht als Lösung von aussen, sondern als Verständnis von innen.


Es zeigt, was wir im Alltag oft nur erahnen: warum ein Kind nicht beginnt, warum es sich verliert, warum Druck zu Stillstand führt, warum Struktur helfen kann – oder überfordert –, und wie wir Räume schaffen, in denen Lernen wieder leichter wird. Nicht perfekt und auch nicht immer logisch, aber stimmig für dieses eine Kind.


Und am Ende eines langen Nachmittags, wenn die Aufgaben geschafft sind oder auch nicht, bleibt etwas, das wertvoller ist als jedes Resultat: das Gefühl es gemeinsam geschafft zu haben. Wieder mal einen Wochenplan gemeistert zu haben! Die einen von uns meistern wirklich grosse Dinge und die anderen meistern Wochenpläne - und viele wissen nicht, wie groooooss die sein können!


Nichts von dem, was wir investieren ist verloren, ausser vielleicht das Kerzenglas, das vom fliegenden Schulbuch getroffen wurde....


Denn was wir über unsere Kinder lernen – und über uns – ist Wissen, das bleibt und wirkt. Und zwar dort, wo es zählt: in der Beziehung, im Alltag, im Vertrauen, das uns trägt, wenn der Weg schwierig wird.


Vielleicht ist das der Anfang von „leichter“ oder der Anfang von "verstehen".

Ich wünsche dir beides, wenn du verstehst von was ich hier rede

Herzlich, Andrea




 
 
 

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